Kindheit & Jugend

Gedichte, die dem kindlichen Gemüt zuzuordnen sind, sowie leidige Adultismus-Poeme.

Hartgestrüpp & das zweitausendvierhundertachtzehnte Gedicht

Anmutungen

Ach, ihr seid noch gar nicht vorbestraft?!
Hat man euch nie erwischt?
Habt ihr per Ausseh‘n mich verarscht,
Verruchtheit aufgetischt?

Rasiert man außerhalb vom Knast sich
Denn derart hart den Schädel?
Blasiertheit war‘s allein, dass fast ich
Evakuiert‘ mein Städel!

Die Tattoowucht entsprang allein
Spätjugendlichen Zwängen?
Gefängnis stünd euch wirklich fein!
Ich will euch da nicht drängen,

Doch optisch passt ihr wunderbar
Auf den Justizvollzugsalltar!
Die Härte, die ihr darstell‘n wollt -
Die ließ sich dort beweisen!
Ihr würdet nur, dort reingetrollt,
Halt weniger verreisen.

Botinas & das zweitausenddreihundertachtunddreißigste Gedicht

Inselchen an der Botinas Bucht bei Ilha Grande

Furzende Jugendliche

Furzende Jugendliche sind meistens ganz leise
Und duften in Grüppchen ihr Viertelchen scharf.
Sie rüpeln sich aufwärts mit hörbarer Meise -
Sind in der Erfüllungswucht voller Bedarf.
Und furzen und furzen und bleiben dabei,
Erzählt auch der Rektor: "Nun geht - ihr seid frei!"

Furzende Jugendliche bleiben als Sorge besteh'n,
Ihr Hier-Sein in keinerlei Morgen zu dreh'n.
Man fragt: "Wollt ihr Pommes?" - sie furzen und lachen.
Und Welt muss sich dreh'n trotz solch störrischer Sachen.
Und sie dreht sich! Und die Jugend wird furzen und furzen.

Es greift jeder Vorwurf auch etwas zu kurz, denn
Wir hab'n uns ärschlich längst pazifiziert,
In mancherlei Nachhinein niedergeniert.

Was hat Pubertät an uns übelst gerochen!

Ich fühl trotz der Knackser mich noch nicht gebrochen
Und in Wellnesshotel lass ich oft einen geh'n -
Als konnte das Heute mein Früher versteh'n.

Weißbüschelaffen & das zweitausenddreihundertfünfunddreißigste Gedicht

Sagui- oder Weißbüschelaffen auf der Ilha Grande

Spätes Nachsitzen

Nun bin ich schon älter als einst meine Lehrer
Und frag' mich, was brächt' ich mir bei?
Wo fänd' ich den Zugang als Wissensvermehrer
Fürs üb-liche "Give it a try!"?

Schlurfende Gedankengänge,
Ohne Drall nach vorn -
Ob der Morgens-Aufsteh-Zwänge
Allen Flow verlor'n.

Konnten all die Pflichtlektüren
Mich zu den Gedichten führen?

Zumindest: Es wurden die Pfade gelegt
Zu Beeten, die seither man selbstbewusst pflegt.

Behaupt' ja gern und stur, ich hätt's
Mir selber beigebracht -
Liest das jetzt der Herr X, ich schätz',
Dass er nur herzlich lacht.

Nun bin ich schon älter als einst meine Lehrer
Und wie ihnen ist mir heute klar:
Es log meine Show als Aus-Trotz-Aufbehrer,
Wie formbar ich doch damals war.

Alle Rechte bei Hans-Peter Franz, der das Gedicht im Rahmen der Rio-Spendenaktion 2023 erstanden hat.

Energieträger & das zweitausendzweihunderteinundsechzigste Gedicht

Strommasten bei Jibacoa

Gereifter Kinderdank

Danke für die manchmal nur stoisch
Gedankenabwandernd
Ab und an versandenden,
Dann rauschbelauschten Worte.
Es sind alle Kinder so minderheroisch,
Niemals zeitlich verfrüht,
Doch bald reiflich bemüht,
Um das Schmieren der ihrigen Pforte
Zurück
In das Glück
Vom noch mind'ren Bewusstsein.
Alles schlendert gen Schluss vom Gewusst in Verlust ein
Und nichts in der Welt setzt sich an jene Stelle
Dieser rüglosgenügsam verfügbaren Quelle.

Weg zur Ruhr & das zweitausendzweihundertsiebenundvierzigste Gedicht

Buhne an den Ruhrauen bei Überruhr

Im Eisstielwald

Im Eisstielwald der Kindergärten
Ist der letzte Busch Sehnsucht verbrannt.
Bis zum Punkt, da noch nächtens die Glutnester schwärten,
Hab ich Magnum Mandel erkannt.

"Magnum Mandel", erkläre ich allen Erziehern,
"ist gelegentlich nur Theorie!
Manchmal gleitet die Eiswelt ins Tal wie auf Skiern,
Mal geschieht das nur selten bis nie."

"Und was", fragst du, "willst du mir damit denn sagen?" -
Wechselst antwortenscheu gleich das Gleis.

"Ich war auch mal so wie die anderen Blagen
Und ich aß dabei sehr gerne Eis."

Lenbachhausfassade & das zweitausendzweihundertfünfundvierzigste Gedicht

Die Fassade vom Lenbachhaus

Frische Nächte

So vieles ist schon im Verschwinden
Und für dich ist's gerade erst da.

Einer Euphorie fehlt es an Sinn, denn
Vorm Toast und Trost spricht ein Babar.

Dein Erfinden wär höchstens Bewahren
Und der Zweifel nimmt ganz vorne Platz -
Den juckt's nur so vor Kommentaren.

Und nach reiflicher Abwägung hat's
Schon genug an erneuertem Anlauf gegeben
Für unüberblickbare Massen an Leben.

Schüttert's trotzdem durch dich,
Rotz und Trotz hält nichts auf?

So wart nicht auf mich -
Stemm die Eisen und lauf!

Folkwangstadt & das zweitausendeinhundertfünfundneunzigste Gedicht

Weihachtsmarkt in Essen

Ripostegedicht auf "Die Weihnachtsmaus" von James Krüss

Die Weihnachtsmaus 2.0 (Mutters Rache)

Die Weihnachtsmaus ist sonderbar -
Sogar für die Gelehrten.
Denn einmal nur im ganzen Jahr
Entdeckt man ihre Fährten.
Das ganze Jahr macht diese Maus
Den Menschen keine Plage.
Doch plötzlich aus dem Loch heraus
Kriecht sie am Weihnachtstage.

Und kaum späht sie ein freches Kind,
Das Muttern nicht zu Willen,
Wird dieses Tier vor Blutdurst blind
Und drängt drauf, ihn zu stillen.
Nascht Christian vom Marzipan,
Das doch bestimmt für Peter,
Begießt sie ihn schnell mit Benzin -
Und siehe da: Schon brät er!
Auch Nelly, die am eierschaum'nen
Weihnachtsmann geknabbert,
Ist kurz drauf ihr Gesamtgedärm
Zum Bauch hinaus geschlabbert.
Es stahlen Ernst, Hans und Papa
Sich frech ein Stück vom Kekseschmaus?
Zerdrückt werd'n sie zu Mett-Tartar -
Denn so was schmeckt der Weihnachtsmaus!
Ihr fragt euch bang, wer machte Hänschen,
Ja, und auch Lieschen dem Garaus?
Nun, sagt Mama, sie sah ein Schwänzchen -
Dann war es wohl die Weihnachtsmaus!
Weihnachtsfest im Kreis der Lieben -
Wie man's gern gefeiert hätt!
Ach, von der Familie blieben
Einzig übrig: Mum and Dead!
Wie gesagt, Herr Kommissar:
Diese Maus ist eine Plage -
Doch es endet ihr Eklat
Just am Weihnachtstage.

Was gibt's denn da im Nachbarhaus?
Dort spritzt grad Blut ans Fenster!
Ja, wütet da die Weihnachtsmaus?
Ja, seh ich schon Gespenster?!
Gibt's auch dort drüben Mausetote?
Klär'n Sie das auf, Herr Kommissar!
Vielleicht die Tat der selben Pfote?
Ich sag dann: Tschüss - bis nächstes Jahr!

Altes Haus & das zweitausendzweiundzwanzigste Gedicht

Im alten Dorfkern von Grimentz

Updates in progess

Ich bin aus der Schlappschwanzgeneration, kann keine Zementsäcke tragen,

Ich weiß Schreibmaschinen
Nicht recht zu bedienen,
Wurd niemals von Lehrern geschlagen.
Ich bin aus der Schlappschwanzgeneration, ich kann keine Falkpläne falten,

Wurd nie zu nem Amt
In Vereinen verdammt,
Weiß Rufnummern nicht zu behalten.
Ich bin aus der Schlappschwanzgeneration - doch ich wurde als Kind nie getrackt,

Hab jahrelang ganz ohne WLAN gelebt
Und Alben beflissen mit Fotos beklebt,
Hab in Schaufenstern alles entdeckt.
Ich bin aus der Schlappschwanzgeneration - mit leicht atavistischem Schwanz.

Doch mein Unfähig-Sorgen
Erlöst Ihr im Morgen:
Denn Euch fehlt das Schlappe schon ganz.

Kapuziner & das eintausendneunhundertzweiundsiebzigste Gedicht

Brauner Kapuzineraffen im Affenhaus im Zoo Berlin

Mein erster Klapphornvers, gekreuzt: Preispolitik der Sünde

Zwei Knaben gingen ohne Arg
Durchs Viertel eines Rotlichts.
Der eine gab 'nen hoh'n Betrag,
Der andre - weil schon tot - nichts.

Ausbeute III & das eintausendachthundertvierunddreißigste Gedicht

Mein Geburtstagsblumenstrauß 2

Rittersporn

Für den Rest unsrer Zeit wird der Ritterbedarf
In der Welt Überschaubarkeit melden:
Es festigt sich ein lose Sitten entlarv-
Endes Zero-Int'resse an Helden.

Nichts rettet uns vom Tugendschwinden. -
Doch kriegt die Rotte etwas Sporn:
Muss Jugend nicht komplett erblinden,
Wird Don Quichotte neu gebor'n!

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